Warum Wellensittiche perfekte Haustiere sind – und was sie wirklich brauchen
Wellensittiche gehören zu den beliebtesten Haustieren in Deutschland. Die kleinen, farbenfrohen Vögel aus Australien begeistern mit ihrem lebhaften Wesen, ihrer Neugier und ihrer Fähigkeit, enge Bindungen zu ihren Haltern aufzubauen. Doch trotz ihrer Beliebtheit werden Wellensittiche oft nicht artgerecht gehalten. Einzelhaltung, zu kleine Käfige und einseitige Ernährung sind leider noch immer weit verbreitet.
Dieser Ratgeber zeigt dir, wie du Wellensittiche wirklich artgerecht hältst – mit allen wichtigen Informationen zu Unterbringung, Ernährung, Beschäftigung und Gesundheit. Ob du zum ersten Mal Wellensittiche anschaffen möchtest oder deine Haltung verbessern willst: Hier findest du fundiertes Wissen und praktische Tipps. Ebenso wie bei Hamstern in artgerechter Haltung ist ausreichender Platz das A und O.
Grundlagen der artgerechten Wellensittich-Haltung
Wellensittiche sind Schwarmvögel
Der wichtigste Grundsatz vorab: Wellensittiche dürfen niemals alleine gehalten werden. In ihrer australischen Heimat leben sie in großen Schwärmen von mehreren hundert bis tausend Vögeln. Sie kommunizieren ständig miteinander, putzen sich gegenseitig das Gefieder und fliegen gemeinsam auf Futtersuche.
Ein einzelner Wellensittich leidet unter massivem Stress und entwickelt Verhaltensstörungen wie Federpicken, Dauerschreien oder Apathie. Auch wenn du dich mehrere Stunden täglich mit dem Vogel beschäftigst, kannst du einen Artgenossen nicht ersetzen. Die Mindesthaltung sind daher zwei Wellensittiche – besser noch eine kleine Gruppe von vier bis sechs Vögeln.
Die richtige Käfiggröße und Ausstattung
Viele handelsübliche Käfige sind viel zu klein für Wellensittiche. Die Mindestmaße für zwei Vögel liegen bei 120 x 60 x 80 cm (Breite x Tiefe x Höhe). Wichtig ist vor allem die Breite, da Wellensittiche horizontale Flieger sind und kurze Strecken im Käfig zurücklegen möchten.
Ideal ist eine geräumige Voliere oder sogar ein Vogelzimmer. Je mehr Platz die Vögel haben, desto besser können sie ihren natürlichen Bewegungsdrang ausleben. Auch bei großen Käfigen sollte täglich mindestens zwei bis vier Stunden Freiflug in einem vogelsicheren Raum möglich sein.
Zur Käfigeinrichtung gehören:
- Mehrere Naturholzstangen in unterschiedlichen Durchmessern (1-2 cm) für gesunde Fußstellung
- Keine Plastikstangen oder Sandpapier-Sitzstangen, die zu Verletzungen führen können
- Futter- und Wassernäpfe aus Keramik oder Edelstahl, täglich gereinigt
- Sepia-Schale oder Kalkstein zur Mineralstoffversorgung
- Spielzeug aus Naturmaterialien: Schaukeln, Seile, ungiftige Äste zum Knabbern
- Badehäuschen oder flache Schale zum Baden (Wellensittiche lieben Wasserbäder)
- Keine Spiegel – sie täuschen einen Sozialpartner vor und fördern Verhaltensstörungen
Standort des Käfigs: Sicherheit und Komfort
Der Käfig sollte an einem hellen, aber nicht sonnendurchfluteten Platz stehen. Direkte Mittagssonne kann zu Überhitzung führen. Zugluft, Küchendämpfe und Zigarettenrauch sind unbedingt zu vermeiden – die empfindlichen Atemwege der Vögel nehmen schnell Schaden.
Ideal ist eine erhöhte Position auf Augenhöhe, sodass die Wellensittiche das Familienleben beobachten können, ohne ständig von oben bedroht zu werden. Ein Standort mit Rückwand (an der Wand stehend) vermittelt zusätzliche Sicherheit. Nachts sollte der Käfig mit einem leichten Tuch abgedeckt werden, damit die Vögel 10 bis 12 Stunden ungestörten Schlaf bekommen.
Ernährung: Mehr als nur Körnerfutter
Die Basis: Hochwertiges Körnerfutter
Die Grundlage der Wellensittich-Ernährung bildet eine hochwertige Körnermischung. Achte auf Qualität: Das Futter sollte aus verschiedenen Hirsesorten, Hafer, Glanz und kleinen Samen bestehen. Vermeide billige Mischungen mit viel Weizen oder künstlichen Zusätzen.
Wellensittiche fressen etwa einen Teelöffel Körner pro Tag. Wichtig: Das Futter sollte täglich frisch angeboten werden, und die Spelzen (leere Hülsen) müssen entfernt werden, damit die Vögel nicht verhungern.
Frischfutter für Vitamine und Abwechslung
Mindestens genauso wichtig wie Körnerfutter ist tägliches Grün- und Gemüsefutter. Wellensittiche lieben:
- Vogelmiere, Löwenzahn, Gräser und Kräuter (unbehandelt und frisch)
- Basilikum, Petersilie, Dill, Kresse
- Salate (keine Eisbergsalat – zu wenig Nährstoffe)
- Gurke, Karotte, Paprika, Zucchini, Brokkoli
- Obst in Maßen: Apfel, Birne, Beeren (Achtung: Fruchtzucker)
Absolut tabu sind:
- Avocado (hochgiftig für Vögel)
- Zwiebeln, Knoblauch
- Salz, Zucker, gewürzte Lebensmittel
- Schokolade, Alkohol
Frischfutter sollte nach wenigen Stunden entfernt werden, damit es nicht verdirbt. Biete das Grünzeug in verschiedenen Formen an: Als Büschel zum Zupfen, in Salatklammern oder auf Spießen – das fördert die natürliche Nahrungssuche.
Wasser, Mineralstoffe und Ergänzungen
Frisches Trinkwasser muss täglich gewechselt werden. Keine Zusätze wie Vitaminpräparate ins Wasser geben – das fördert Bakterienwachstum. Ergänzungsfuttermittel sind bei ausgewogener Ernährung meist unnötig.
Wichtig ist die ständige Verfügbarkeit von Sepia-Schale oder Kalkstein zur Kalziumversorgung. Besonders Weibchen brauchen Kalzium für eine gesunde Eierschalenbildung.
Beschäftigung und Freiflug: So bleiben Wellensittiche fit und glücklich
Freiflug ist Pflicht, nicht Kür
Auch der größte Käfig ersetzt keinen täglichen Freiflug. Wellensittiche sind ausdauernde Flieger und legen in der Natur täglich viele Kilometer zurück. Plane mindestens zwei bis vier Stunden Freiflug pro Tag ein – am besten in mehreren Sessions.
Das Zimmer muss vogelsicher sein: Fenster und Spiegel mit Vorhängen oder Aufklebern markieren, giftige Zimmerpflanzen entfernen, Kabel sichern und Gefahrenquellen wie offene Wasserkochtöpfe oder brennende Kerzen vermeiden.
Spielzeug und Beschäftigung
Wellensittiche sind neugierig und intelligent. Sie brauchen Abwechslung und Herausforderungen:
- Schaukeln, Leitern, Seile zum Klettern
- Naturäste zum Knabbern (Weide, Haselnuss, Apfelbaum – ungespritzt)
- Foraging-Spielzeug, in dem Leckereien versteckt sind
- Papierstreifen zum Zerreißen
- Glöckchen und raschelnde Materialien
- Regelmäßiger Austausch des Spielzeugs für neue Anreize
Überfordere die Vögel aber nicht: Zu viel Spielzeug auf einmal kann Stress erzeugen. Wechsle lieber alle paar Wochen das Angebot.
Soziale Interaktion mit dem Menschen
Wenn du dich respektvoll und geduldig verhältst, können Wellensittiche zahm werden und auf die Hand kommen. Zwinge die Vögel aber niemals – Vertrauen muss erarbeitet werden. Biete Leckerlis (Hirsestange) als Belohnung an und sprich ruhig mit den Vögeln.
Manche Wellensittiche lernen sogar, Wörter nachzuahmen. Allerdings sollte die Unterhaltung mit Menschen nie die Interaktion mit Artgenossen ersetzen.
Gesundheit und Pflege: Darauf musst du achten
Tägliche Gesundheitschecks
Beobachte deine Wellensittiche täglich. Gesunde Vögel sind aktiv, haben glatte Federn, klare Augen und normalen Kot. Warnsignale sind:
- Apathie, aufgeplustertes Gefieder
- Atemgeräusche, Niesen, Nasenausfluss
- Veränderter Kot (Durchfall, Verfärbungen)
- Gewichtsverlust (fühle das Brustbein – es sollte nicht spitz hervorstehen)
- Federpicken oder kahle Stellen im Gefieder
- Verhaltensänderungen (Aggression, Rückzug)
Bei Auffälligkeiten solltest du sofort einen vogelkundigen Tierarzt aufsuchen. Vögel verbergen Krankheiten lange – wenn Symptome sichtbar werden, ist schnelles Handeln nötig.
Regelmäßige Tierarztbesuche
Auch gesund wirkende Wellensittiche sollten einmal jährlich einem vogelkundigen Tierarzt vorgestellt werden. Dieser kann Parasiten ausschließen, das Gewicht kontrollieren und frühzeitig Probleme erkennen.
Wichtig: Nicht jeder Tierarzt ist auf Vögel spezialisiert. Suche gezielt nach einem vogelkundigen Tierarzt in deiner Nähe.
Mauser und Gefiederpflege
Wellensittiche mausern etwa zweimal jährlich. In dieser Zeit werden alte Federn abgestoßen und neue gebildet. Die Vögel wirken oft etwas zerzaust und kratzen sich häufiger. Unterstütze sie mit eiweißreichem Futter (Eifutter) und Badegelegenheiten.
Krallen und Schnabel nutzen sich bei Naturholzstangen normalerweise von selbst ab. Nur wenn sie zu lang werden, muss ein Tierarzt sie kürzen – niemals selbst schneiden, da Verletzungsgefahr besteht.
Häufige Fehler in der Wellensittich-Haltung vermeiden
Fehler Nr. 1: Einzelhaltung
Wie bereits betont: Einzelhaltung ist Tierquälerei. Wellensittiche brauchen mindestens einen Artgenossen. Die Aussage „Mein Wellensittich ist zahm und braucht keinen Partner” ist ein Trugschluss – der Vogel leidet trotzdem.
Fehler Nr. 2: Zu kleiner Käfig ohne Freiflug
Viele Käfige im Handel sind ungeeignet. Investiere lieber einmalig in eine große Voliere, als deinen Vögeln jahrelang ein eingeschränktes Leben zu bieten. Ohne täglichen Freiflug verkümmern Muskeln und Lebensfreude.
Fehler Nr. 3: Einseitige Ernährung
Nur Körnerfutter führt zu Mangelerscheinungen, Verfettung und Organschäden. Wellensittiche brauchen täglich frisches Grünfutter und Gemüse. Gewöhne sie langsam daran, wenn sie es nicht kennen.
Fehler Nr. 4: Falsche Paarung oder unkontrollierte Vermehrung
Wellensittiche sollten nur verpaart werden, wenn du die Verantwortung für Nachwuchs tragen kannst. Unkontrollierte Brut führt zu Überpopulation, Stress und gesundheitlichen Problemen bei den Weibchen. Entferne Nistmöglichkeiten, wenn du keine Zucht planst.
Fehler Nr. 5: Keine vogelkundige Tierarztversorgung
Normale Kleintierärzte haben oft wenig Erfahrung mit Vögeln. Suche vorab einen spezialisierten Tierarzt und notiere die Notfallnummer – im Ernstfall zählt jede Minute.
Wellensittiche anschaffen: Checkliste für den Start
Vor der Anschaffung klären
- Habe ich Zeit für tägliche Pflege und Freiflug?
- Kann ich mindestens zwei Vögel halten?
- Ist die Wohnung geeignet (keine Zugluft, Raucherwohnung)?
- Gibt es einen vogelkundigen Tierarzt in der Nähe?
- Wer betreut die Vögel im Urlaub?
- Bin ich bereit, 10 bis 15 Jahre Verantwortung zu übernehmen?
Wo Wellensittiche kaufen?
Kaufe Wellensittiche nicht im Baumarkt oder bei Massenzüchtern. Besser sind:
- Seriöse Züchter mit Gesundheitsnachweis
- Tierheime und Vogelschutzvereine (viele Wellensittiche suchen ein neues Zuhause)
- Private Abgabe bei artgerechter Vorbesitzerhaltung
Achte darauf, dass die Vögel gesund aussehen, in sauberen Käfigen leben und bereits sozialisiert sind.
Die ersten Tage: Eingewöhnung
Gib deinen Wellensittichen Zeit, sich einzuleben. Die ersten Tage sind stressig – neue Umgebung, neue Geräusche, neue Menschen. Vermeide Hektik, laute Geräusche und zu viel Aufmerksamkeit.
Biete Rückzugsmöglichkeiten im Käfig an und lass die Vögel erst einmal zur Ruhe kommen. Nach einigen Tagen beginnt die schrittweise Annäherung.
Fazit: Artgerechte Wellensittich-Haltung ist kein Hexenwerk
Wellensittiche sind wunderbare Haustiere, die mit ihrer Lebensfreude und ihrem Charme jeden Tag bereichern. Doch sie haben klare Bedürfnisse: Gesellschaft, Platz zum Fliegen, abwechslungsreiche Ernährung und liebevolle Zuwendung.
Wenn du diese Grundlagen beachtest, wirst du mit gesunden, glücklichen Vögeln belohnt, die dich viele Jahre begleiten. Artgerechte Haltung ist kein Luxus, sondern die Mindestanforderung an verantwortungsvolle Tierhaltung.
Nimm dir die Zeit, die Bedürfnisse deiner gefiederten Mitbewohner kennenzulernen – sie werden es dir mit Vertrauen, Neugier und unzähligen fröhlichen Momenten danken.



